Britische Forscher haben brandaktuell wieder mal eine „neue“ Studie zum NLP-Modell der Augenzugangshinweise durchgeführt, die derzeit in der Online-Presse vielfach veröffentlicht wurde.
Danach hat ein wissenschaftliches Forscherteam um Caroline Watt von der Universität Edinburgh festgestellt, dass sich Lügner nicht durch genaues Beobachten der Augenbewegungen entlarven lassen. “ Der Blick nach rechts oder links oben steht in keiner Verbindung mit dem Wahrheitsgehalt von Aussagen“.
Welch eine Offenbarung – Denn Ausgangspunkt dieser Untersuchung, so die Wissenschaftler, sei die „umstrittene Technik aus dem NLP, dass sich Lügner durch ihre Augenbewegungen verraten“. „In Kommunikationskursen“ – so der Forschungsansatz – „lernen die Teilnehmer, die Verhaltensweisen ihres Gegenübers anhand bestimmter Regeln zu analysieren. NLP zufolge lügt ein Mensch, der nach rechts oben blickt, während eine Person mit Blick nach links oben die Wahrheit spricht“, so die Wissenschaftler.
Schade, wirklich sehr schade um die vergeudete Zeit, denn die Studie widerlegt eine Theorie, die im NLP in der dargestellten Form gar nicht aufgestellt wurde.
Der Kern des NLP-Modells über die Augenzugangshinweise ist die Aussage, dass sich anhand der Augenbewegungen Rückschlüsse auf die geistige Aktivität eines Menschen ziehen lassen – nicht aber auf den Inhalt seiner Gedanken. Seriöse NLP-Trainer wissen das. Augenbewegungen geben Aufschluss darüber, in welchem Repräsentationssystem (Sehen, hören, fühlen) jemand seine Informationen abruft und innerlich wieder zugänglich macht, also repräsentiert und ob diese Informationen konstruiert oder erinnert sind. Augenbewegungen dienen einem Coach oder Therapeuten immer nur als physiologischer Hinweis auf innernpsychisch ablaufende Prozesse. Dies lässt längst keine Folgerung zu, ob es sich um Lügen handelt.
Auch Prof. Dr. Michael Nideggen, Psychologie-Professor an der FU-Berlin hat kürzlich bestätigt, dass Augenbewegungen mit geistiger Anstrengung, wie dem Abrufen von Wissen oder dem Rekapitulieren einer Geschichte in Verbindung steht und eben keine unmittelbaren Erkenntnis über den Wahrheitsgehalt von Aussagen zulassen.
Und der DVNLP (Deutscher Verband für Neurolinguistisches Programmieren e.V.) als größter europäischer Dachverband des NLP distanziert sich energisch von der Behauptung, NLP lehre diese Theorie mit den Worten: „Die Nutzung von Augenbewegungsmustern als Lügendetektor ist fachlich nicht haltbar und unverantwortlich. Der DVNLP distanziert sich von allen Behauptungen Augenbewegungsmuster seien als Lügendetektor einsetzbar. Augenbewegungen sind als Lügendetektor ebenso sinnvoll wie die Errötung des Gesichtes. Nichts anderes wird in den seriösen NLP-Ausbildungen auch gelehrt. Kein ernst zu nehmender NLP-Anwender würde je etwas anderes behaupten.“
Da in der Studie die Zuordungsbereiche „erinnert und konstruiert“ durch die Wissenschaftler einfach mit „Wahrheit und Lüge“ gleich gesetzt wurden, liegt die Vermutung nahe, dass die Wissenschaftler das Modell der Augenzugangshinweise gar nicht genau kennen. Damit ist sind sie nicht allein. Untersuchungen gleichen Inhalts hat es in der Vergangenheit schon öfter gegeben…
Die Artikel stehen unter anderem in:
Welt Online: „Lügner verraten sich mit den Augen? Ein Irrtum!“
http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article108264618/Luegner-verraten-sich-mit-den-Augen-Ein-Irrtum.html
Stern.de: „Lügner verraten sich nicht durch Augenbewegungen“
http://www.stern.de/wissen/mensch/psychologie-luegner-verraten-sich-nicht-durch-augenbewegungen-1855883.html
Tagesspiegel: Ich schau dir in die Augen, Kleines! Augenbewegungen entlarven Lügner nicht“
http://www.tagesspiegel.de/wissen/ich-schau-dir-in-die-augen-kleines-augenbewegungen-entlarven-luegner-nicht/6868254.html
Hannoversche Allgemeine: „Lügen lassen sich nicht am Blick erkennen“
http://www.haz.de/Nachrichten/Wissen/Uebersicht/Luegen-lassen-sich-nicht-am-Blick-erkennen
PLoS ONE: „The Eyes Don’t Have It Lie Detection and Neuro-Linguistic Programming“
http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0040259
Michael Winter, MSc
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Ich habe im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit das Studiendesign unter die Lupe genommen, und es enthält aus NLP-Sicht weitere katastrophale Fehler.
Unter anderem werden die Studienteilnehmer in einer Weise auf die Befragung vorbereitet, die verlässlich dazu führt, dass die Augenbewegungen bereits während des Briefings stattfinden und nicht während der Befragung innerhalb der Studie selbst.
Ich empfinde es als geradezu erschütternd, diese Vorgehensweise als wissenschaftlich oder aussagekräftig zu bezeichnen.
Es wird daraus für mich ersichtlich, dass aktuelle wissenschaftliche Strukturen meilenweit davon entfernt sind, die Effizienz von Therapieverfahren beurteilen zu können. Die Wissenschaftlichkeit selbst ist sogar Teil des Problems, sie wird dem Menschen in seiner nichtlinearen Komplexität einfach nicht gerecht.
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